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Thomas Morus
(1478-1535)


morus

"...Thomas Morus, Lordkanzler von England,
dessen Seele reiner war als der reinste Schnee, dessen Genius so groß war, wie England nie einen hatte, ja nie wieder haben wird, obgleich England eine Mutter großer Geister ist." [Erasmus von Rotterdam]

 

 

Biographie

Thomas Morus wird am 7. Februar 1478 in London geboren. Bis zu seinem 12. Lebensjahr besucht er die Lateinschule, daraufhin lebt er zwei Jahre am Hof des Lordkanzlers und Erzbischofs von Canterbury, John Morton. Von ihm erhält er einen Platz an der Universität von Oxford. 1494 beginnt Morus eine juristische Ausbildung in London. Fünf Jahre später begegnet er zum ersten Mal Erasmus von Rotterdam, der ebenfalls ein Humanist war und zu dem er später engen Kontakt hielt. Bis 1503 bereitet sich Morus auf das Leben in einem Kloster und als Priester vor. Auf Drängen des Vaters, der auch ein Jurist ist, schliesst er das Studium der Rechte ab und wird als Anwalt zugelassen. Während seine Erfolge als Jurist grosse Anerkennung finden, gibt Morus diesen Entschluss wieder auf und wendet sich politischen Studien zu. 1503 wird er Mitglied des Parlaments. Henry Tudor wird 1509 als König Heinrich VIII. gekrönt, im selben Jahr wird Morus "Under-Sheriff" von London, dies ist der Vertreter des Sheriffs in Rechtssachen. 1516 veröffentlicht er sein bedeutendstes Werk "Utopia". Zwei Jahre danach schlägt man ihn zum Ritter und ernennt ihn zum Unterschatzmeister. 1523 wird Morus Sprecher des Parlaments, er verfasst seine Schriften gegen Luther. Wiederum zwei Jahre vergehen, bis er Kanzler des Herzogtums Kent wird. Papst Klemens VII. lehnt 1526 das Vorhaben des Königs, die Ehe mit Katharina von Aragon zu scheiden, ab. Heinrich VIII. strebt die Lösung der englischen Kirche von Rom an. 1529 erfolgt die Ernennung Morus’ zum Lordkanzler. Aus Opposition gegen die antipäpstliche Politik des Königs legt Morus 1532 seine Ämter nieder. Er verweigert die Anerkennung von Heinrich VIII. als Oberhaupt der Church of England und wird wegen Hochverrats angeklagt. 1533 lässt Heinrich VIII. ohne Zustimmung des Papstes seine Ehe lösen. Ein Jahr später sperrt man Morus in den Tower von London. Er wird 1535 schliesslich enthauptet.

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Historische Hintergründe

England war Teil des katholischen Abendlandes, eine kleine Macht am Rande Europas. Die junge Intelligenz des Landes wendete sich dem Studium klassischer Wissenschaften und Literatur sowie der griechischen Sprache zu. Überall herrschte Krieg, Englands Adel rottete sich gerade in den Rosenkriegen aus, die wir ja aus Shakespeares "König Richard der Dritte" zur Genüge kennen. Eben dieser Bösewicht Richard III. löste den langjährigen König Eduard IV. ab, Richard war während drei Jahren König. Ab 1485 regierte Heinrich VII. mit seinem Königsrat, bei welchem Morus in Ungnade gefallen war, weil er dessen Steuergesetzgebung angriff. London befand sich an der Spitze des Aufstieges der englischen Städte, englische Kaufleute hatten die ausländische Konkurrenz verdrängt. Der Aufschwung der Textilindustrie und des Grosshandels zerstörte die Zunftordnung. Eine neue Oberschicht bildete sich heraus. Die Regierungszeit Heinrichs VIII. fiel mit einem starken Aufschwung des gesamteuropäischen Handels zusammen. Trotz relativer Sicherheit gab es immer wieder Unruhen und soziale Aufstände. Die religiöse Entwicklung war von ähnlichen Zerfalls- und Auflösungstendenzen gekennzeichnet. Die Bewegung des John Wiclif war nicht spurlos geblieben. Die reich gewordenen, bürgerlichen Schichten waren gegen die starke Stellung der Kirche im öffentlichen Leben. Der König konnte das Parlament willkürlich einberufen, meist zum Zweck der Steuererhöhung. Im Vergleich zu Deutschland herrschten in England allerdings zustände, die als fortschrittlich bezeichnet werden können.

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Zusammenfassung Utopia - Band II

Zu Beginn des Stücks debattieren Morus und Raphael Hythlodaeus über Gott und die Welt, vor allem aber über das Privateigentum. Morus ist vehement gegen das Gemeinweisen, währenddessen Hythlodaeus einen anderen Standpunkt vertritt und von der Insel Utopia zu berichten beginnt, wo Gütergemeinschaft glänzend funktioniert.

Die Insel Utopia ist uneinnehmbar, da sie von der einen Seite durch Untiefen und von der anderen Seite durch Riffe geschützt ist. Utopia besteht aus 54 Städten, die jeweils 24 Meilen auseinander liegen, so dass sie in einem Tagesmarsch erreicht werden können. Das politische System ist patriarchalisch (altväterlich, ehrwürdig) und demokratisch. Jeweils eine Gruppe von 30 Familien wählt jährlich einen "Syphogranten" oder "Phylarchen" (Familienältester, Gruppenhaupt), an der Spitze von je zehn Syphogranten steht ein Vorgesetzter, der "Protophylarch". Es gibt in diesem System 200 Syphogranten, die in geheimer Wahl den Fürsten auf Lebenszeit wählen. Nur bei Tyrannei ist er abwählbar.

Die Wirtschaft ist zentral gelenkt, die Waren werde nach Bedürfnissen verteilt, d.h. wenn eine Stadt zu wenig Lebensmittel hat, hilft eine andere Stadt aus. Die Utopier betreiben Handel mit dem Ausland. Die daraus hervorgehenden Gold- und Silbervorkommen haben für sie nur eine geringe Bedeutung. Es besteht bei einem Sechsstundentag Arbeitspflicht für alle. Die Bewohner werden von Kind an in die Landwirtschaft unterwiesen, die Anbaufläche ist gleichmässig und planmässig ausserhalb der Städte verteilt. Aus jeder Familie kehren jährlich 20 Personen in die Stadt zurück, nachdem sie zwei Jahre in der Landwirtschaft tätig waren. An ihre Stelle rücken gleich viele aus der Stadt nach. Nebst der landwirtschaftlichen Betätigung betreibt jeder sein eigenes Handwerk. Zum Studium und gehobeneren Diensten werden nur die ausserordentlich Begabten zugelassen.

Die Bewohner kleiden sich alle in gleicher Weise. Die Utopier essen gemeinsam in Speisesälen für je 30 Familien. Weil sie so gutmütig sind, überlassen sie das Schlachten des Viehs den Sklaven, welche ehemalige Verbrecher sind mit Besserungschancen. Verbrechen bestrafen sie mit Sklaverei.

Jeder kann sich in der Freizeit musisch und wissenschaftlich betätigen. Törichte Spiele, sprich sexuelle Ausschweifungen, verabscheuen sie genauso wie Krieg. Als tugendhafte Leute führen sie nur Verteidigungskriege, keine Angriffskriege. Sie gehen dabei mit List, Bestechung und fremden Hilfstruppen vor. Zudem bekämpfen sie die Feinde ihrer Freunde und Tyrannen, die ihr Volk unterdrücken. Sie nehmen sich das Recht, Länder zu kolonisieren, mit denen ihre Besitzer nichts anzufangen wissen.

In religiösen Dingen sind sie tolerant, es herrscht Religionsfreiheit. Die Existenz eines einzelnen Gottes bestreiten sie jedoch nicht. Die Utopier diskutieren viel über das Glück, glauben an die Unsterblichkeit der Seele, ohne aber Christus zu kennen.

Das Ziel des utopischen Staates liegt darin, die Bürger von der Knechtschaft zu befreien und dem Geiste eine Ausbildung zu gute kommen zu lassen. Darin sehen sie das wahre Glück des Lebens.

Das Wort "Utopia" stammt aus dem griechischen und bedeutet "Nirgendsort". Es ist zugleich ein Wortspiel zum griechischen eu-topos, was "guter Ort" heisst. Der Reisebericht des Raphael Hythlodaeus über die Insel Utopia ist eine Kritik an der sozialen Misere im christlichen Europa. Morus wählt dafür bewusst die fiktive Person Hythlodaeus, der ihm diese Geschichte erzählt. Er will damit verhindern, dass man ihn zur Rechenschaft ziehen kann. Wir haben diese Methode schon bei Ecos "Der Name der Rose" und bei Dostojewskis "Totenhaus" angetroffen.

In Utopia haben Tugend, Wissen, ein massvolles Leben im Einklang mit der Natur, Gemeinwesen, Bildungsmöglichkeiten für Frauen und Religionsfreiheit eine zentrale Stellung.

Morus’ Utopia leitet von Platos Schriften zu denjenigen von Marx über. Bei Plato sind die Philosophen die perfekten Menschen, bei Marx gibt es nur eine arbeitende Klasse. In Utopia gibt es weder eine soziale noch wirtschaftliche Klasse, da jeder die gleiche Arbeit macht, jeder gleiche Rechte hat, alle genug zu essen haben, gleiche Kleider tragen, Lernen kein sozialer Status ist und es keinen Stolz gibt. Utopia ist eine grosse Familie, alle Menschen sind völlig gleich. Der Stolz wird durch spirituelle Erfüllungen, wie Philosophie und Religion, ersetzt. Wobei die Philosophie nach Tugenden strebt und die Religion nach der Wahrheit. Die Haupttugend besteht darin, mit der Natur eins zu sein. Die Religion führt dazu, dass die Menschen glücklich sind. Weder Plato noch Marx akzeptieren eine Religion. Bei Morus glauben alle an die Unsterblichkeit der Seele und an eine Existenz im nächsten Leben, deshalb sind die Menschen in Utopia so glücklich.

Dank einer strengen Erziehung benötigt Utopia wenig Gesetzte, es existieren nur klare Gesetzte, die von jedem verstanden werden können. Die Regierung in Utopia hat nicht die Aufgabe möglichst schnell Beschlüsse zu fassen, sondern alles in Ruhe zu überdenken, Weisheit ist wichtiger als Schnelligkeit.

Utopia ist eine Welt, die sich nicht verändert, die keine Entwicklung erfährt. Es ist eine rein fiktive Welt, die so nie entstehen könnte. Und die Ordnung Utopias ist auch nicht wünschenswert, hat sie doch unverkennbar totalitäre Züge - besonders hinsichtlich der Arbeitspflicht, der Ehegesetzgebung, der Sexmoral und dem gemeinsamen Essen in den Speisesälen.

Das Buch ist eine Kritik an die regierende Klasse und soll eine Inspiration für revolutionäre Ideen sein. Es repräsentiert nicht den Kommunismus und will auch nicht eine Revolution auslösen, sondern nur das Denken der Menschen verändern. Morus stellt dem Leser die Frage, wieso England nicht einer Religion mit Gütigkeit und Bruderliebe angehören kann, wenn doch die Utopier in der Lage sind, einen so perfekten Staat zu gründen? Morus’ Traum ist ein christlicher Sozialismus.

Eine neue Literaturgattung ist nach Morus’ Utopia benannt und beeinflusst worden, die Utopie...

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